Wutanfall in der Warteschleife

Von Peter Littmann

Wenn im Comic einer böse wird und flucht, finden sich eindrucksvolle Zeichen in der Sprechblase über dieser Figur. Solche Blitze, Donnerwolken und drohend geschüttelte Fäustchen müssten heute auch die Stelle über meinem Kopf zieren. Gestern Abend bimmelte der Versuch, eine 24-Stunden-Hotline anzurufen ins Leere. Heute Morgen ging einer ran - im indischen Pendant zum deutschen Posemuckel, wie sich auf Nachfrage herausstellte. Der Mann konnte mein Problem nicht lösen, gab aber zu, dass nach 7 p. m. das 24-Stunden-Telefon nicht mehr besetzt sei.


Eigentlich stehen heute noch weitere zwei Telefonate an: mit einem Telefonprovider wegen einer Rechnung und dem Hersteller eines neuen Druckers, der nicht druckt. Aber vermutlich ist es sinnvoller, den Provider zu wechseln und die Schreibmaschine aus dem Keller zu holen, als von einem Call Center oder dem Kundendienst im Internet Unterstützung zu erwarten.

Alle Verbraucher haben solche Horrorgeschichten auf Lager. Eine Studie von Accenture belegt, dass Kunden mit telefonischen Anfragen durchschnittlich sechs Minuten in der Warteschleife hängen und mit mindestens zwei Menschen sprechen müssen bevor ihnen geholfen wird - oder auch nicht. Eine Untersuchung der Aston Universität in Birmingham besagt, dass CEO's mehrheitlich finden, sich beschwerende Konsumenten seien Querulanten und zu anspruchsvoll. Das sind dieselben Vorstände, die auf Konferenzen gerne von Kundenorientierung schwafeln.

Also genau die Herrschaften, die das Kommunizieren mit ihrem wichtigsten Gesprächspartner (Nein, das sind nicht die Golfpartner, sondern die Kunden!) erstens an einen Call-Center-Betreiber in Timbuktu auslagern und zweitens die Effizienz desselben an der Zahl der angenommenen Anrufe messen.

Dass der Call-Center-Betreiber seine Leute schlecht behandelt, die Mitarbeiter deswegen ständig wechseln und daher keinerlei Erfahrung mit den Problemen der Hilfesuchenden haben, fällt so natürlich nicht auf. Aber es verärgert die Kunden am anderen Ende der Leitung, die die Telefonmenschen zusammenschreien, die ihrerseits ihre Wut am nächsten Anrufer auslassen - eine Spirale ohne Ende.

Haben wir so wenig Wettbewerb, dass Kunden selbst bei größtem Frust immer wieder zu einem Anbieter zurückkehren müssen? Offenbar, denn nur so ist es möglich, dass viele große Organisationen zu vergessen scheinen, worum es eigentlich geht: Der Käufer allein bestimmt, was funktionierende Produkte oder Services sind. Wer als Manager in erster Linie über Kosten nachdenkt und nicht über Kunden, begeistert sich schnell für Outsourcing der Kundenbetreuung.

Nur zu leicht geht dabei aber die alte Weisheit verloren, die besagt, dass es um ein Vielfaches billiger ist, Kunden zu halten als neue zu gewinnen. In dem Sinn sind Anfragen und Beschwerden nicht dummes Zeug, sondern eine sprudelnde Quelle der Information - und eine Chance, Loyalität aufzubauen. Der Kontakt mit dem Verbraucher ist der Moment der Wahrheit, abgestimmt wird an der Kasse.

Mag also sein, dass die Vereinigung Deutscher Automobilhersteller sogar Recht hat, wenn sie behauptet, dass Kunden Rückrufaktionen positiv wahrnehmen. Bei 1,4 Millionen Wagen, die jährlich in die Werkstatt zurückgepfiffen werden, fragen sich die Leute, warum die Industrie keine vernünftigen Autos mehr bauen kann. Andererseits werden die Fahrzeuge immer sicherer. Vor diesem Hintergrund können teure Rückrufaktionen in der Tat als Kundenbindungsmaßnahmen wirken, zeigen sie doch, dass sich ein Hersteller auch noch nach dem Verkauf um seine Kunden kümmert. Merke: Eine Panne an sich ist nicht unbedingt ein Problem - aber es wird eines daraus, wenn die Verursacher sich hinter inkompetente Call Centers verschanzen.

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