Hans im Glück - dank Ganzkörperpeeling

Von Peter Littmann

Alles, was ein Mann schöner ist als ein Affe, ist ein Luxus!" Dieser legendäre Satz von Tante Jolesch aus dem gleichnamigen Buch hatte früher Allgemeingültigkeit: Ein Kerl hätte sich lieber nackt auf eine belebte Kreuzung gestellt, als sich auch nur von der eigenen Frau mit einer Gurkenmaske sehen zu lassen. Seinerzeit gingen Männer maximal in die Sauna.


Heute ist normal, was das Tantchen noch als Untergang des Abendlandes wertete: Viele Männer gehen zum Yoga und manche Kerle sogar in Schönheitssalons. In feinen Hotels sind schon 40 Prozent der Spa-Besucher männlich. Das Haus Neptun in Warnemünde offeriert "Anti-Stress-Tage für Manager" im neuen Thalasso-Vitalcenter. Die "World of Beauty" in Fulda bewirbt Ganzkörper-Bürstenpeelings mit dem Slogan "Hans im Glück".

Damit das nicht so blümchenmäßig rüberkommt, werden die Angebote vielerorts maskulinisiert: Yoga wird in England als Wettkampfsportart angeboten, zum Heubad gibt's Cognac. Herrenabend kann heute durchaus Rosmarinpackung und hawaiische Lomi Lomi Massage bedeuten - viele der Hotel-Spas und Day-Center haben bis 23 Uhr auf, um erschöpfte Investmentbanker mit ätherischen Ölen zu beträufeln.

Die Trends dahinter sind klar: Jeder will alt werden, keiner alt aussehen; Krebs und andere Zivilisationskrankheiten nehmen zu; Erfolg im Job bedeutet mehr Arbeit als je zuvor, doch beim gegenwärtigen Jugendkult darf ein Top Executive keinesfalls aussehen, als ob er wirklich je an seine Grenzen käme.

Also halten wir gesunde Ernährung und Meditation gegen den Stress, Botox und grünen Tee gegen die Falten und zart bräunende "Golf Cream" gegen diese jüngeren ambitionierten Kollegen. Dies ist ungefähr so wie in alten Filmen, in denen der Held dem Vampir das Kruzifix entgegenstreckt, - nämlich auf Dauer ohne Wirkung.

Die eigentliche Kunst in der Vermarktung von Wellness ist, den Verbraucher nicht spüren zu lassen, dass er sich im Spa mit der eigenen Vergänglichkeit beschäftigt. Was früher "Kur" war und nach Krankenkasse klang, steht nun für Verwöhnprogramm. Was einst als medizinische Anwendung geduldet wurde, wandelt sich zur esoterisch verbrämten Streicheleinheit.

Nicht, dass ein wenig Gesundheitsbewusstsein der Gesellschaft nicht bekäme. Doch so intensiv kann die Aromatherapie gar nicht wabern, dass sie den Duft des dicken Geldes übertünchen könnte. Das Segment Wellness wächst seit Jahren, ebenso die Umsätze mit Herrenkosmetik - was liegt näher, als beides zu verbinden? Die Margen der Spas sind die besten im Hotelgeschäft, also investiert ein kluger Gastronom lieber ins türkische Bad als in den französischen Koch.

Die Amerikaner sind schon eine Stufe weiter: Da kommt Qualität wieder von Qual und deswegen sind die angesagten Retreats heute Zeltlager mit einem Programm, das an die Ausbildung der Marines erinnert. In den kalifornischen Calabasas Mountains bedeutet Wellness um 5.45 Uhr aufstehen. Rührei und drei Schnitz Apfel, dann geht's zur Wanderung in ein Gelände, das frühere Gäste in "Herzinfarkt-Hügel" umtauften. Danach gibt es vegetarisches Sushi, fünf weitere Stunden körperliche Ertüchtigung, Linsensuppe und ein spartanisches Bett. Kostenpunkt: 3 500 Dollar die Woche.

Die früher angesagten Ayurveda-Trips in die Karibik bedeuten für viele Amerikaner heute nur noch Shoppingexzesse und zu viele Drinks am Abend. Stattdessen sind jetzt "basics" und "nature" angesagt. "Ohne den ganzen Luxus lernt man Kleinigkeiten wieder schätzen und verabschiedet sich von dem Stress, den man für wichtig hält, wie den richtigen Tisch im Restaurant oder eine Handtasche für 500 Dollar", begründet eine 33-jährige Managerin in der "New York Times" einen Beauty-Trip, der auch als Strafexpedition durchgegangen wäre.

Dennoch: Die Gäste verlieren so tatsächlich Gewicht und gewinnen wirklich Muskelmasse - und die Veranstalter kriegen für noch weniger Aufwand noch mehr Geld. Das "well" in Wellness heißt halt für jeden was anderes.

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