Brauner Luxus für wenig Geld

Es soll immer noch Leute geben, die sich abends alleine auf dem Sofa bei Rotwein und Toblerone einreden: "Gute Schokolade ist ein Ersatz für guten Sex".

Das ist selbstredend falsch, wie Ärzte aus Mailand unlängst in einer Studie bewiesen haben: "Der Genuss von Schokolade steht in direkter Verbindung zur weiblichen Libido", schreiben sie. Das heißt auf Deutsch: Schokolade statt Sex macht erst recht sinnlich.

Wer den Film "Bridget Jones - Schokolade zum Frühstück" gesehen hat, wusste das allerdings schon vorher. Dem bekannten Dickmacher-Klischee entsprechend konnte man an Hauptdarstellerin Renée Zellwegger allerdings auch sehen, dass sich die süße Wonne direkt vom Mund auf die Hüften bewegt.

Enric Rovira hält auch das mit den Kalorien für dummes Zeug. Der katalanische Schokopapst ist gertenschlank. Das einzige, was bei ihm üppig gerät, ist das Firmenwachstum mit 50 bis 60 Prozent im Jahr. Er entwirft jährlich zwei Kollektionen, wie ein Modeschöpfer, und beliefert mit seinen Kreationen die erfolgreichsten Küchenchefs der Welt, von Frankreichs Superstarkoch Alain Ducasse bis hin zu Ferran Adrià vom "El Bulli". Die "Bombolas" aus seinem Geschäft in Barcelona gelten derzeit in ganz Nordeuropa als hippes Mitbringsel. Rovira jedenfalls meint: "Schokolade alleine macht nicht dick, bloß zu langes Sitzen auf dem Sofa."

Also hoch mit dem Hintern und ran an ein faszinierendes Produkt, das es in seiner geschmacklichen Vielfalt und Sinnenfreude mit Whiskey, Zigarren oder grünem Tee allemal aufnehmen kann. Wie bei den meisten vernünftigen Dingen im Leben ist auch bei Schokolade Langsamkeit das Erfolgsgeheimnis. Das Rösten und Mahlen der Bohnen aus rund 3 000 verschiedenen Sorten und das Conchieren - das Kneten und Lüften der Rohkakaomasse - kann bis zu sechs Tage in Anspruch nehmen. Nur so bekommt die Masse ihren satten Geschmack, die Tafel das richtige Knackgeräusch beim Zerbrechen und der Esser diese Flut an Glücksgefühlen.

Gute Schokolade hat einen Kakaoanteil von mindestens 60 Prozent, echte Afficionados erfreuen sich jedoch an 99-prozentiger Qualität, nach Anbaugebiet sortiert wie Wein. Es gibt Origin-Produkte aus Madagaskar, Kuba oder Sao Tomé, Jahrgangs- und sogar Plantagenschokolade.

Der italienische Schoko-Guru Mack Domori vermarktet Produkte von ausgewählten Farmen nicht von ungefähr als "Chateau" oder "Cru". Wer will, kann Produkte mit Chili finden, rosa Pfeffer, Kardamom, Hanf, Reis oder Sonnenblumenkernen.

Doch bevor wir jetzt endgültig zart schmelzen, zurück zum Geschäft. Jeder Deutsche isst acht Kilo Schokoprodukte im Jahr. Dieser Markt sieht jedoch nicht aus wie ein pyramidenförmiger Trüffel mit Produkten der Lindt & Sprüngli-Klasse oben und einer breiter und billiger werdenden Basis nach unten.

Seine Form folgt eher einem Dominostein, dessen Mitte zusammengequetscht wurde: Die Marken der Mittelklasse wachsen kaum, Luxussegment und Billigware legen jährlich zehn Prozent zu. Aldi oder Lidl kontrollieren bereits 45 Prozent des Marktes für Tafelschokolade.

Wohin das Auge fällt, immer wieder dieselbe Geschichte: Luxus funktioniert ganz gut, billig wächst am schnellsten und die mittleren, austauschbaren Marken gehen ein. Patrick De Maeseneire, Chef der Schweizer Schokoladengruppe Barry Callebaut, die jährlich 15 Prozent der Welt-Kakaoernte verarbeitet, glaubt darüber hinaus, dass der Anteil der Handelsmarken weiter wachsen wird. Vielleicht gar auf 70 Prozent.

Die unzähligen Produzenten im Mittelfeld, die weder die Starköche beliefern noch Aldi, werden sich also ziemlich schnell was einfallen lassen müssen. Warum also nicht auch auf der Modewelle reiten? Schokolade mit höheren Kakaoanteilen, aus bestimmten Regionen wie bei Wein oder Käse, Bioprodukte aus kontrolliertem Anbau, Geschmacksexperimente mit Limone oder Earl Gray Tee.

In Zeiten wie diesen, die nicht gerade zum Totlachen sind, sollten doch Seelentröster zu verkaufen sein, frei nach Erich Kästner: "Wer Kummer hat, hat auch Schokolade."

Das Wundervolle an dem braunen Zeug ist doch, dass man für relativ wenig Geld schon ganz viel Qualität kriegen kann. Und sinnlich macht es obendrein.

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