Glanz und Gloria
Shocking!" lautete das Urteil, als Ralph Lauren 14 Millionen Dollar ausgab, um auf der Madison Avenue einen Flagship-Store zu eröffnen. "Damit wird er nie Geld verdienen", hieß es bei den Experten, die prognostizierten, der Designer werde so nur seine Händler vergrätzen. Das war 1986. Den Ralph-Lauren-Shop gibt es immer noch, auch wenn es 15 Jahre dauerte, bis dort Geld verdient wurde.
Die 90er wurden noch schockierender: Giorgio Armani, Calvin Klein, Versace, oder Ferragamo – alle bauten riesige Shoppingpaläste. Wieder ein paar Jahre später setzte Prada die Standards im Schockgefrieren der Kritiker mit architektonischen Denkmälern in New York, Tokio und Los Angeles. Jedes für mindestens 40 Millionen Dollar. Andere Luxuslabels wie Luis Vuitton zogen nach, und mittlerweile bauen Architekten wie Rem Koolhaas, Sir Norman Foster oder Renzo Piano mit derselben Geste Konsumtempel, mit der sie bisher Museen entwarfen. Das jüngste Monument des Größenwahns steht in Tokio: Chanel auf 6 000 Quadratmetern, verteilt auf zehn Stockwerke. Kosten? Geschätzte 240 Millionen Dollar.
Rechnet sich das? Seitdem LVMH und Ralph Lauren börsennotiert sind und das Prada-Management wiederholt über einen Gang aufs Parkett nachdenkt, haben die Analysten den Bleistift gezückt. Merrill Lynch kam schon vor einiger Zeit zu dem Schluss, dass sich die Palazzi nur für eine Hand voll Superbrands auf dem Niveau von Armani, Gucci oder Hermès lohnen. Für alle anderen sehen die Banker schwarz: Diese Art von Wachstum im High-End-Modemarkt ist so teuer, dass sich der Break-even ins ferne Land des Nimmermehr verschiebt, selbst unter Berücksichtigung der "Ausstrahlungseffekte" auf die Marke. Somit erhöhen die Marken-Kirchen das ohnehin schon hohe Risiko im Geschäft mit der Mode ins Unberechenbare. Tommy Hilfinger lernte das schmerzlich: Sein Megastore auf dem Rodeo-Drive überlebte nur zwei Jahre, kurz darauf schlossen weitere 38 seiner Geschäfte.
Im Grunde genommen geht es darum, eine Marke gebührend in Szene zu setzen. Und wie soll man Luxus inszenieren wenn nicht durch Luxus? Drehen die Macher von "Sex and the City" eine Sequenz im Prada-Store in Soho und 100 Millionen Frauen weltweit sehen, wie Carrie Bradshaw Champagner zur Anprobe schlürft, mag die Kalkulation für so ein "Epicentrum" – wie die Dinger bei Prada heißen – sogar aufgehen. Aber sonst? Sind für eine nachhaltige Imagepflege wirklich kathedralenartige Läden vonnöten?
Schauen wir genauer: Seit Mitte der 90er-Jahre verzeichnen die Luxusanbieter einen Nachfrageschub, denn bei Bekleidung und Accessoires mischen die Konsumenten zunehmend Designer- und Massenware. Während die Hersteller sich in der Vergangenheit hauptsächlich um extrem einkommensstarke Gruppen kümmerten, rücken nun dank der mit Modelabels versehenen Accessoires breitere Kundenschichten ins Blickfeld. In Großbritannien sind die Top-Unternehmen, die einst nur in London anzutreffen waren, nun auch in Birmingham, Manchester oder Glasgow. In Deutschland ist die Entwicklung ähnlich: Nobellabels, die früher nur in Düsseldorf und München siedelten, finden sich heute auch in anderen Städten mit einem Einzugsgebiet ab etwa einer Million Einwohner.
Alle möglichen Studien belegen: Die Menschen suchen nach einem "dritten Ort", einem Platz zwischen Zuhause und im Job, einem halb privaten Raum als sozialem Treffpunkt. Orte also, wo sich Menschen mit sozialen Bedürfnissen treffen, um ihre Sehnsucht nach Erlebnis und Kontakt zu befriedigen. Für so eine Erlebniswelt gibt es Kriterien: Der Ort selber muss Charakter haben, die Leute neugierig machen und anlocken. Der Besucher soll sich dort frei bewegen können, um Waren oder Dienstleistungsangebote zu entdecken. Und schließlich braucht das ganze ein Thema, einen roten Faden, braucht Linie. Das gilt für Museen und Flughäfen ebenso wie für Hotels und Geschäfte.
Ziel ist, die Aufenthaltsdauer zu verlängern und die Menschen emotional zu involvieren. Größe ist dafür sicher ein Mittel, allerdings als Mausoleum für Designereitelkeit nicht das einzige. Begehbare Bühnen gehen auch kleiner. Und preiswerter, weil intelligenter. Im Theater entstehen die besten Inszenierungen bekanntlich nicht in den größten Sälen.