Der Dandy und sein Bildnis

Von Peter Littmann

Ey Alter, willste noch ’n Bier?" war anno dunnemals so ziemlich das Persönlichste, was Männerfreunde beim Tresenstehen so von sich gaben. Ansonsten drehte sich das Gespräch um testosteronstarke Themen wie Fußball, Autos, Frauen und vielleicht noch die Firma.


Echte Kerle hassten Klamotten kaufen mindestens so wie psychologisches Gequatsche, und wer sie der Eitelkeit bezichtigte, bekam gern mal eines auf die Nase. Doch die Zeiten haben sich geändert: Heute gehen Kumpel zusammen zum Shoppen, kennen die angesagten Modemarken und diskutieren den perfekten Sitz einer Edeljeans. Neuerdings gibt es sogar Anzüge aus Plüsch! Seinerzeit hätte man in so einem Teil nicht beerdigt werden wollen, heute ist es hip.

Auch die Fotostrecken mit der neuen Herrenmode sind echte Hingucker. Leider nicht wegen der Mode, sondern weil die männlichen Models aussehen wie Mädchen. Nicht nur, dass die Männer bei Gucci Brokat-Jacken und perlenbestickte Tuniken tragen, bei Miu Miu mit Spiegeln besetzte Mäntel oder fußbodenlange schottische Kilts bei Christian Dior – auch ihre Gesichter, Frisuren und Figuren sind von denen weiblicher Models kaum noch zu unterscheiden.

Oscar Wilde muss es geahnt haben, als er schrieb: "Die Zukunft gehört dem Dandy!" Gabriella Forte, früher bei Armani und jetzt Chefin von Dolce & Gabbana USA, berichtet nicht nur von 40 Prozent Umsatzplus bei Herrenmode, sondern auch davon, dass in den vergangenen fünf Jahren die Offenheit dramatisch zugenommen habe, mit der Männer sich dem Thema Fashion nähern. Hier gehe es nicht um die schwule Szene, sagt Forte, sondern die Rede sei von ganz normalen Männern unter 40, mit gepflegtem Körper und Geldbeutel. Offenbar wird androgyne Schönheit salonfähig.

Zu dieser Beobachtung passt die Prognose von Euromonitor, dass der Herrenkosmetik-Markt bis 2008 um ein Fünftel wachsen wird. Neuerdings gibt es sogar einen eigenen Herrenkatalog bei Avon: "Pro Sports" für jeden Tag und "Pro Extreme" als Anti-Aging-Programm. Nivea for Men verkauft sich gut, Gillette startete in USA mit einer Männerserie ("It's time to face skin-care like a man!"), und im High-End-Bereich wächst Estée Lauders Herrenlinie Clinique neuerdings jährlich um zehn Prozent.

In diesem Kontext fällt seit einigen Monaten immer wieder der Ausdruck "Metrosexuals". Das Wort wurde eigentlich schon 1994 in England geprägt, um einen Image-bewussten, heterosexuellen Mann zu beschreiben, der sich gern verwöhnt. Allgemeingut wurde der Begriff jedoch erst zehn Jahre später, als Fußballidol David Beckham zugab, gelegentlich die Unterwäsche seiner Frau auszuführen, und die Werbeagentur Euro RSCG Worldwide anfing, nach einer Zielgruppe für das Konzept zu suchen.

Doch selbst wenn sich immer mehr Männer eine eigene Feuchtigkeitscreme gönnen, statt in die Tiegel ihrer Liebsten zu greifen wie früher: In Wahrheit treten die Metrosexuals so häufig auf wie rocktragende Männer in deutschen Fußgängerzonen. Im richtigen Leben machen die Beaus sich rar, trotz des Getrommels der Agenturen.

Wenn wir ehrlich sind, steht der Begriff eher für verschwurbeltes Marketing als für eine echte urbane Subkultur. Und das ist im Grunde auch gut so. Die meisten Männer wissen, dass Mann vom Denken nun mal Denkfalten und vom Lachen Lachfalten kriegt. Sollen wir jetzt noch öfter aufhören zu denken und zu lachen, bloß weil in dieser Welt ein alberner Jugend- und Schönheitskult herrscht?

Außerdem ahnen wir: Sosehr wie wir uns weibliche Frauen wünschen, so sehr wünschen die sich "männliche" Männer. Dass damit heute nicht mehr unbedingt nur das Klischee vom dominanten "Camel" rauchenden Macho mit dem berühmten Loch im Stiefel gemeint ist, haben selbst wir längst begriffen. Aber das weich gespülte Rundum-Weichei aus der Kosmetik-Werbung will auch kaum eine Frau an ihrer Seite.

"Sexy sind Männer in ihrer ursprünglichen Form", heißt es bei der Buchautorin Wais Kiani. "Softies langweilen auf die Dauer." Also fordert sie: "Stirb, Susi" – wobei mit Susi die Warmduscher gemeint sind. Von solch tödlichen Botschaften muss natürlich Abstand genommen werden. Aber es gilt: Zurück zum Wesentlichen! Ey Alter, willste noch ’n Bier?

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