Die Eieruhr

Von Peter Littmann

Für Jungs, die damals schon Männer waren." So wirbt VW für den neuen Golf GTI. Mit kleinen Jungs, die sich nach einem kurzen Rock umdrehen oder ihre roten Bobbycars besteigen, während die Frauen mit Föhnfrisuren lediglich rote Kinderwagen schieben. Merke: Weil Frau höchstens einen Kinderwagen gut fährt, ist der neue Flitzer aus Wolfsburg was für echte Kerle. Und die erkennt man an Bobbycar und Männerblick.

Soll man lachen oder weinen? Lachen, weil es allem Anschein nach noch genug geistig arme Gockel gibt, die meinen, ein Auto verleihe Stärke und "PS" stünde als Abkürzung für "Potenz mit Stil". Weinen, weil die alten Stereotype offenbar immer noch häufig genug gelebte Realität sind, dass sie sich als Werbebotschaft eignen.

Lächeln, weil die uralte Geschlechterfrage immer noch brandaktuell ist und Generation nach Generation sich in der Definition aufreibt, was Mann darf, soll und kann und wie Frau das empfindet.

Kaum erholt von diesem Gefühlsstau, würde man jetzt nun zu gerne jubeln: Gelungene Kampagne! Denn wenn allen Betrachtern so viel durch Kopf und Herz geht, fällt sie auf, bleibt im Kopf und regt an.

Jubeln kann man aber kaum – denn tut man das und lobt, lädt man gleichzeitig jeden Nachwuchswerber ein, sich an der alten Geschlechterfrage wund zu rubbeln. Das Ergebnis wäre mit absoluter Sicherheit eine Folge von Peinlichkeiten.

Wer sich auf das Terrain jahrhundertealter Sensibilitäten begibt, sollte besser ein Meister der feinen Klinge sein. Legendär in diesem Zusammenhang ist die Kampagne eines Schweizer Uhrenherstellers: "IWC. Seit 1868. Und solange es noch Männer gibt." Unter dem Abbild eines edlen Chronographen stand da beispielsweise zu lesen: "Fast so kompliziert wie eine Frau. Aber pünktlich." Oder: "Scheiben putzen ist Männersache. Bis 42 mm Durchmesser."

Das Ganze war so ein Aufreger, dass IWC unter anderem von der Internetseite des österreichischen "Standard" eine "Zitrone" für Machowerbung verliehen bekam. Witzigerweise für den Spruch: "Fast so schön wie eine Frau. Tickt aber richtig." Der allerdings war eine Fälschung und überhaupt nicht aus der Feder der zuständigen Züricher Werbeagentur Wirz. Außerdem haben die Verleiher des Schmähpreises offenbar völlig verdrängt, dass sie sich ja gerade aufregen sollen über diese Art von Text: Ihre Empörung ist die Währung, mit der die Werber spekulieren. Je lauter das Gegacker, desto erfolgreicher ist für die Macher die Kampagne.

Eleganter und ironiefrei war da schon der Vorschlag einer Dame im Internet. Sie schlug vor, IWC sollte den Einzelhandel verpflichten, besagte Uhren nur noch an Männer abzugeben, und kaufende Frauen zu einer eidesstattlichen Versicherung nötigen, dass die IWC ausschließlich von einem Mann getragen werden wird – "als Eieruhr sozusagen".

Bemerkenswert eigentlich, dass sich Männer über solche Kalauer in der Regel nicht weiter echauffieren. Auch nicht über Kampagnen für Backmischungen, die so idiotensicher sind, dass sogar Vati damit einen Kuchen zu Stande bringt. Und schon gar nicht über Spots für Putzutensilien, die ganz, ganz simpel daherkommen, damit auch ein in der Gegend herumlungernder Schwerenöter mit ihnen klarkommt.

Mann lächelt versöhnlich, sogar über den bejahrten, aber immer noch viel zitierten Lieblingsspot vieler Frauen: "Isch abe gar keine Auto!" In dem kann ein Mann, der sogar zum Autofahren und für korrektes Deutsch zu doof ist, immerhin einen Instantdrink brauen.

Was lehrt uns das? Erstens: Gut gemacht, funktioniert das Spiel mit den alten Vorurteilen dennoch: Machowerbung tut genau das, was sie soll, sie fällt auf. Zweitens: Das klappt, weil noch immer erschreckend viele Frauen erschreckend unsouverän sind und sich furchtbar über dummes Zeug aufregen. Drittens: Den Spieß umzudrehen und auf dem mangelnden IQ vieler Männer herumzureiten funktioniert hingegen nicht. Die meisten beschließen nämlich kurzerhand, sich den Schuh vom "blöden Kerl" erst gar nicht anzuziehen, und damit ist die Sache für sie erledigt.

Es gibt schließlich Wichtigeres im Leben als Geschlechter-Stereotypen. Schnelle Autos zum Beispiel.

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