Der Nasen-Faktor
Rudi Völler macht einen tollen Job! Nicht unbedingt als Fußballtrainer. Aber die Unternehmen Neckermann und E-Plus, die mit ihm werben – die finden ihn super. Seine Sympathiewerte seien nach dem EM-Desaster eher noch gestiegen, heißt es. In Umfragen kam sein freiwilliger Verzicht auf die DFB-Millionen besonders gut an. Das sagt allerdings mehr aus über die inzwischen offenbar vorherrschende Abzockermentalität im Land und über den Verdruss darüber als über den echten Wert von Werbung mit Prominenten.
Natürlich erzeugt VIP-Werbung erst einmal Aufmerksamkeit. Wenn ein Foto von Claudia Schiffer mit Söhnchen Caspar den Otto-Versand ziert und sie dann unter dem Titelbild des Sommerkatalogs in "Wetten, dass …" auf dem Sofa sitzt und über Mode plaudert, hat das was. Schließlich kaufen sich viele Menschen heutzutage mit einem neuen Fräckchen nichts zum Anziehen und mit einem Auto nichts zum Fahren, sondern ein Image. Am liebsten das von einem Supermodell oder Fernsehstar …
Kein Wunder also, dass Günter Jauch wirbt, Mario Adorf, Heidi Klum, die Familie Graf-Agassi und Boris Becker sowieso. Aber für welche Produkte und Hersteller? Öha, da geraten wir ins Grübeln.
Und das ist genau das Problem. Werben all die Super-Models in der Kosmetikwerbung nun für L’Oréal? Oder für sich selber, getreu dem Motto "Weil ich es mir wert bin"?
All den Bemühungen der Reichen und Schönen zum Trotz sagt nämlich jeder zweite Verbraucher, es spiele für sein Kaufverhalten keine Rolle, ob ein Star für ein Produkt wirbt. Dennoch nimmt die Testimonial-Werbung massiv zu. Inzwischen sind bis zu zehn Prozent der Kampagnen mit Prominenten besetzt.
Das ist nicht ganz billig. Es kostet eine Menge, Multimillionäre in Bewegung zu setzen. Oder wer glaubt wirklich, dass Verona Feldbusch oder Thomas Gottschalk für Iglo oder Haribo auftreten, weil sie so besonders gerne Spinat oder Gummibärchen essen?
Sind ihre Gesichter die millionenschweren Werbeverträge wert? Unter Umständen. Aber ist denn scho’ Weihnachten, bloß weil Franz Beckenbauer erst den Mobilfunkhersteller E-Plus anpries, bevor er zu O2 wechselte? Zumal er außerdem bisher schon für Yello, Knorr, Adidas, Grundig, Coca-Cola, NEC, Mitsubishi, Opel in die Kamera lächelt und heute für Erdinger Weißbier und die Postbank?
Am Ende wirken die Kampagnen-Stars, die den Konsumenten zu oft oder gar innerhalb desselben Werbeblocks für verschiedene Produkte zum Kaufen auffordern, ein wenig beliebig – um es höflich zu formulieren.
Schließlich passen nur Marken und Menschen zusammen, die ähnliche "Persönlichkeitsprofile" haben: Denn Verbraucher schreiben auch Dingen regelrechte Charaktereigenschaften zu, im Sinne von "Mercedes ist vornehm" oder "BMW ist spritzig". Wenn diese Zuschreibungen für Mensch und Maschine nicht zusammenpassen, wird Promi-Werbung leicht komisch. Beispielsweise wenn Toyota den kinderlosen Teenie-Popstar Britney Spears für einen Familien-Van werben lässt. Sie würde besser in einen Sportwagen passen als in so einen Pampers-Bomber.
Missgriffe wie dieser können Verschiedenes bedeuten: Entweder entscheidet sich hier ein Marketing-Mensch relativ gedankenlos für seinen persönlichen Lieblingsstar. Oder es gibt immer mehr Produkte, denen das Potenzial für einen eigenständigen Markenaufbau fehlt, und immer mehr Hersteller, denen zu diesem Mangel nicht mehr einfällt, als der Rückgriff auf eine bekannte Nase. Dann allerdings je teurer, um so besser.
Dass es ein wenig menschelt in den Spots, mögen viele Verbraucher ja noch sympathisch finden. Aber gelegentlich erlebt die werbetreibende Wirtschaft durchaus auch traurige Überraschungen mit der Glaubwürdigkeit ihrer Stars. Wer würde heute noch mit Michael Jackson werben wollen, der in Kalifornien als Kinderschänder vor Gericht steht? Sein Ex-Werbepartner Pepsi jedenfalls nicht mehr. Und wer wirbt heute noch mit Christoph Daum? Als der zum Drogentest musste, wurde die Hand im Logo der RWE, die mit ihm warb, flugs zur Kokserpfote umgedeutet.
So gesehen stimmt das mit den Sympathien für Rudi Völler.