Willig und billig ist noch lange nicht gut
Der Mondfahrer auf der Raumstation steigt mit bösen Vorahnungen in seinen Astronautenanzug. Es stehen Arbeiten auf der Außenhaut der künstlichen Welt im All auf dem Programm. Während er sich darauf vorbereitet, die Station zu verlassen, denkt er darüber nach, dass sein Überleben da draußen vor allem von der Qualität seiner Ausrüstung abhängt: "Bei jedem einzelnen Teil hat der Anbieter mit dem niedrigsten Preis die Ausschreibung gewonnen ..."
In diesem wenig gemütlichen Raumanzug stecken derzeit sinnbildlich viele Marketingchefs. Wie immer in Krisenzeiten übernehmen in den Unternehmen nämlich die Controller und Procurement-Experten die Macht, und in ihren Sparprogrammen stehen die Werbeausgaben ganz oben auf der Liste. Da sich Ersparnisse im Kommunikationsbudget scheinbar ohne weitere sichtbare Folgen sofort im Ergebnis niederschlagen, finden sie, dass die Werbeagenturen behandelt werden müssten, wie alle anderen Dienstleister auch.
In der Folge drücken die Spezies Krümelkacker nun auch auf die Konditionen der Kreativen, bis allen Verhandlungspartnern die Puste ausgeht. Präsentationshonorare werden abgeschafft, Abrechnungsprozedere einseitig geändert, Agenturverträge nicht eingehalten. Die Zahlungsmoral lässt nach, dafür steigt der Termindruck. Am Ende bleiben die Willigsten und Billigsten übrig für den Werbejob, doch ob die von professioneller Kommunikation was verstehen, ist für die Erbsenzähler von nachrangigem Interesse.
Der unbeteiligte Beobachter allerdings wundert sich. Das Werbebudget liegt in so manch einem Unternehmen unter den respektablen Kostenblöcken, und oft handelt es sich dabei um Summen, die eigentlich mit größter Sorgfalt von Experten verwaltet werden müssten. Auch sollte sich der nur langsam und mühsam nach oben, aber schnell und leicht nach unten beeinflussbare Wert der Marken inzwischen herumgesprochen haben, liegt doch der Anteil des Markenwerts am Unternehmenswert bei vielen Firmen höher als der Umsatz. Die Verantwortung für die Pflege dieses Vermögens dem billigsten statt dem besten Anbieter in die Hand zu drücken, scheint ungefähr so logisch, wie die Uhr zu zerschlagen, um Zeit zu sparen.
Ein Teil der Verantwortung für die Misere liegt jedoch auch bei den Kreativen selber. Ihre Kunden sind unter Druck und wollen Investitionssicherheit. Darauf mit kreativen Ideen und einem glamourösen Team zu antworten ist schon mal gut, aber nicht gut genug. Zusätzlich wären in den Agenturen strategisches Denken, Kenntnis der Märkte und ihrer Mechanismen, sorgfältiger arbeitende Mitarbeiter und eine insgesamt höhere Dienstleistungsqualität gefragt. Denn am Ende geht es um Effizienz.
Die Herausforderung im Umgang mit den in Sachen Marketing ahnungslosen Einkäufern ist, denen begreiflich zu machen, dass Werbung zwar langsamer auf Umsatz- und Gewinngrößen wirkt als Preis- oder Distributionsentscheidungen, aber dafür oft nachhaltiger. Ein Blick ins letzte Krisenjahr 2003 mag bei der Überzeugungsarbeit helfen: Damals wuchsen neben den günstigen Handelsmarken vor allem Premiummarken. Der Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA und die Gesellschaft für Konsumforschung untersuchten, warum: Bei 63 Prozent der Wachstumsträger war Produktinnovation der Erfolgsfaktor, aber gleich an zweiter Stelle mit 54 Prozent lagen intensive Werbeinvestitionen. Wenn es ums Überleben geht - und derzeit steckt so mancher Werbetreibende in ähnlicher Situation wie der Astronaut, der ins All raus muss -, sollte die Betonung nicht nur auf "Preis" liegen, sondern auch auf "Qualität". Sonst ist bald Schluss mit der Mondfahrt.