Verpackung ist die 1A-Lage des Marketings

Top Technics: Promotion

Von Peter Littmann

Alle lieben Verpackung! Kleinkinder finden das raschelnde Geschenkpapier oft spannender als die eigentliche Gabe, Männer entsprechen gerne dem bekannten Klischee und freuen sich an der Vorstellung, die Damenwelt auszupacken und die wiederum verbringt sehr viel Zeit damit, sich ansprechend einzupacken. Innere Werte sind heute nur noch das, was einer im Safe liegen hat, wir leben im Zeitalter der Oberfläche.

Deswegen darf Verpackung quasi als die 1A-Lage des Marketings betrachtet werden. Selbst wer Mühe hat, die Aufmerksamkeit der Leute vor dem Fernseher zu erhaschen – irgendwann werden die Herrschaften im Supermarkt vor einem Regal stehen. Was sie da an sprechendem Material vorfinden, können sie nicht überblättern oder ausschalten und sie müssen auch auf nichts drauf klicken, um eine Botschaft wahrzunehmen. Packaging ist bei vielen Produkten des täglichen Lebens das Letzte, was Konsumenten sehen, bevor sie zur Geldbörse greifen.
Im Marketing geht’s um Differenzierung und Relevanz. Wo viele Marken nach Aufmerksamkeit schreien, sind die Brands erfolgreich, deren Verpackung schnell klar macht, welches attraktive Produktversprechen sie umhüllt. Das umzusetzen ist jedoch offenbar schwieriger als es klingt, wie die Hersteller von Tropicana Orangensaft gerade erfahren. Ihr Saft ist nicht aus Konzentrat und besonders teuer, weil er kühl gelagert werden muss. Es gibt ihn auch bei uns, aber in USA hat er einen Marktanteil von 40 Prozent.
Im Januar änderte Markenmutter Pepsi das Verpackungsdesign. Daraufhin hagelte es Proteste, die „New York Times“ beispielsweise veröffentlichte folgende Protestnoten: „Ich muss nicht lesen `100 Prozent Saft´, denn nur deswegen kaufe ich das Zeug ja. Aber ich muss sehen können: Welche Art Saft ist das überhaupt und kommt er mit oder ohne Fruchtfleisch?“ Und für ein Premium-Brand besonders schmerzhaft „Jetzt sieht das Zeug aus wie jeder Billig-O-Saft!“ Was die Designer „cool“ fanden, finden die Verbraucher offenbar „billig“ und obendrein unverständlich. Klare Produktkennzeichnung auf der Verpackung ist also ein Muss – und es verwundert, dass es immer noch Gestalter gibt, die eher für die Kollegen in der Designpreisjury und weniger für die Bedürfnisse der Kunden ihrer Kunden arbeiten.
Außer Übersichtlichkeit gibt es noch andere Features, die der Konsument begrüßt. Ergonomie zum Beispiel, also praktische Lösungen. Schraubverschlüsse für starke Männer, Kaffeemilchdöschen, die bei Öffnen aufs Hemd explodieren, Ketchup-Flaschen, aus denen nix kommt oder viel zu viel, produzieren nicht etwa Kundenloyalität sondern Familienkrach, weil Vater bei Tisch plötzlich Wörter sagt, die zu benutzen er seinen Töchtern streng verboten hat.
Öko ist ebenfalls ein Verpackungstrend, auch wenn's widersprüchlich klingt. Inzwischen hat sich jeder denkende Mensch gefragt, warum Äpfel, die nach zehn Tagen zu schrumpeln beginnen, in Plastikschalen verkauft werden, die Dekaden lang nicht verrotten? Sogar unsere amerikanischen Freunde werden schlauer und das ist ein Wunder, denn früher wurde in den USA schnell wie eine „Baglady“ behandelt, wer versuchte, seine Einkäufe in schon mal benutzte Plastiktüten zu packen. Eine solche ist nicht etwa eine Frau auf der Jagd nach der neuesten Markenhandtasche, sondern eine arme Person, die wegen Obdachlosigkeit ihre Habseligkeiten in Plastiktüten mit sich herumträgt.
Doch dann beschloss Einzelhandelsgigant Walmart, bis 2013 fünf Prozent an Verpackungsmüll aus dem System zu nehmen und zwang seine 60 000 Lieferanten offenzulegen, wie viel Verpackung sie mit der Ware anliefern. Seitdem gibt es auch in USA Waschmittel-Konzentrat in kleineren Flaschen und Frühstücksflocken sind nicht mehr bombensicher drei Mal eingepackt, sondern nur noch einmal.
Die Finanzkrise wird ein Übriges tun, schmale, smarte Verpackungen trendy zu machen: Die reduzieren nämlich nicht nur Volumen und Transportaufwand und in der Folge Energieverbrauch und Klimagasemissionen, sondern auch Kosten. Nicht umsonst sagen die Berater von Deloitte &Touche, dass Nachhaltigkeit eines der drei wichtigsten Themen ist, über die Topmanager derzeit nachdenken. Vermutlich nicht, um den Planeten zu retten, sondern weil es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist.

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