Soziale Netzwerke im Internet brauchen Markenfans
83 der 100 größten US-Werbekunden zeigen mittlerweile auch bei Facebook Flagge und schalten Werbung, schreibt das Fachmagazin „Advertising Age”. Das ist interessant, denn bislang waren viele Unternehmen besorgt, dass ihr Logo in der Nähe von obszönen Inhalten landen könnte.
Ihre Sorge führte inzwischen dazu, dass nun sogar Bilder von stillenden Müttern von deren Seiten verschwinden. Nach einer Erklärung gefragt, kommt von den Administratoren ein Hinweis auf die Nutzungsbestimmungen, die das Hochladen von „obszönen, pornografischen oder sexuell eindeutigen“ Inhalten untersagen.
Stillen mit Porno gleichzusetzen finden jedoch nicht nur Mütter abwegig. Unter anderem deswegen landete Facebook bei Brandchannels “Brand Junkie Awards 2009“ unter den fünf umstrittensten Marken des Jahres. Beigetragen zur Image-Pleite hat unter anderem, dass private Facebook-Nutzer immer wieder um die Sicherheit ihrer Daten fürchten, weil die Betreiber Nutzerinfo an befreundete Partner-Websites weitergeben.
Das zeigt neben dem seltsamen Puritanismus der Amerikaner zweierlei: Werbeeinnahmen kann Facebook gut gebrauchen und wer vermeintliche Anzeigenkunden stört, dem nagelt das Unternehmen das Fenster zu. Auf den einzelnen Netzwerker kommt es bei Nutzerzahlen jenseits der 340 Millionen nämlich nicht mehr an. Im Gegenteil, jeder weitere kostet nur Geld: Beispielsweise muss Facebook mittlerweile mehr als 15 Milliarden Photos seiner Klientel verwalten. Gleichzeitig überzeugen diese gigantische Zahlen Werbetreibende davon, dass im Marketing-Mix kein Weg an Sozialen Netzwerken vorbei führt, auch wenn das Geschäftsgebaren der Plattformen selber umstritten ist.
Die Gemengelage führt gelegentlich zu heiteren Situationen. So zum Beispiel, als zwei junge Männer eine Seite für Coca-Cola installierten, die plötzlich 3,5 Millionen „Freunde“ verzeichnete. Leider widersprach auch das den berüchtigten Nutzungsbedingungen, die darauf bestehen, dass die Betreiber einer Seite auch die Markenrechte an dem dort verfeuerten Material haben. Facebook wollte daher, dass Coke selber den Eintrag übernimmt. Die Verantwortlichen in Atlanta dachten aber gar nicht daran, sich einzumischen - aus Angst, gerade die Fans mit einer autoritären Maßnahme zu verschrecken. Also „beauftragte“ Coca-Cola die beiden Jungs mit der Führung des Facebook-Aufritts und nun ist den Nutzungsbedingungen der Plattform genüge getan.
Beispiele wie diese – Coke ist nicht alleine, die Starbucks-Site beispielsweise freut sich über 3,7 Millionen Freunde – führen dazu, dass die selben Marketing-Verantwortlichen, die vorher beim Stichwort Soziale Netzwerke pikiert guckten, jetzt über die eigenen Füße fallen, um eilig ihre Brand viral unters Volk zu bringen.
In finanzschwachen Zeiten werden auch die dazu passenden Mythen geglaubt: „Marketing in Social Networks kostet nichts, wirkt sofort und lässt sich mal eben mit Bordmitteln stricken“.
Ganz so simpel ist es nicht. Die erfolgreichsten Seiten werden oft nicht von den Markeninhabern gestartet, sondern von Fans der dahinter stehenden Produkte oder Services. Deren Freunde steigen ein und beginnen eine Konversation - und nur, wenn die Kommunikation kreativ und witzig ist, gewinnt die Chose an Momentum. Coca-Colas Verdienst in der Sache war, weitgehend den Mund zu halten und die Akteure nicht mit eigenem PR-Material zu belästigen.
Merke: Die Dynamik muss in der Community selber entstehen. Und um Input kann ein Unternehmen bestenfalls bitten. So wie Starbucks zum World Aids Day 1,5 Millionen Facebook-Freunde in seine Cafés lud und dann einen Anteil an jedem verkauften Getränk an Hilfsorganisationen spendete. Wer jedoch unsensibel auftritt, schafft sich statt Freunden Spötter an den Hals, wie Vodafone erleben musste. Der Telefonanbieter buchte deutsche Online-Größen wie Sascha Lobo und Ute Hamelmann, um seine Fusion mit Konkurrenten Arcor zu bewerben. Der internetaktiven Zielgruppe jedoch gefällt die Kampagne so gut wie Spucke in der Suppe. Hatte sich doch der Blogger und Werbetexter Lobo zunächst gegen die vom Familienministerium initiierten - und von Vodafone unterstützten - Internetsperren engagiert. Dass der Kritiker nun ausgerechnet beim Erzfeind wirbt, hält die Bloggerszene für intellektuelle Prostitution. Immerhin wird nun über die Kampagne geredet - aber am Ende gibt’s auf die Tour nur die negativen Brand Junkie Awards.