True Religion - Wahre Sünde
FOCUS MONEY
Die Aktie der Jeansfirma True Religion ist ein absolutes Must-Have für jedes Aktiendepot
Von FOCUS-MONEY-Redakteur Andreas Haslauer
Total bescheuert.“ Das war die Antwort meiner Frau. „Wie kannst du nur Hunderte von Euro für eine einzige Jeans ausgeben?“ Aber ich habe sie doch bei einem amerikanischen Internet-Händler für nur 190 Euro gekauft, in München hätte die „Super Billy Big T“ von True Religion 400 Euro gekostet, verteidigte ich mich. Das konnte sie herzlich wenig überzeugen. Deshalb verheimlichte ich ihr auch, dass zu dem Kaufpreis noch 70 Euro Zollgebühren (von denen ich nichts wusste, ehrlich!) hinzukamen. Somit kostete mich die Jeans fast 300 Euro. Zugegeben, nicht gerade günstig. Dafür war es eine echte True Religion!
„Momentum nutzen“. Im Gegensatz zu meiner Gattin dürfte Jeffrey Lubell, Chef des US-Modekonzerns True Religion,mein Kauf gefallen haben. Schließlich liefert der Gründer der erst sieben Jahre alten Jeansfirma ein Rekordergebnis nach dem anderen ab. 2008 steigerte Lubell den Umsatz um 55,8 Prozent auf knapp 190 Millionen Euro, den Gewinn um 59,3 Prozent auf 31,2 Millionen Euro. Und auch im ersten Halbjahr – dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise – waren die Jeans mit den auffälligen Nähten in den Edel-Kaufhäusern wie Harrods & Co. teilweise ausverkauft. Lubell, der zusammen mit seiner Ehefrau Kym True Religion gründete, verbesserte den Umsatz um 15,4 Prozent auf 95,2 Millionen Euro, den Gewinn um 14,7 Prozent auf 13 Millionen. „Die Performance demonstriert unsere Führungsposition und unsere operative Stärke“, sagt Lubell. Im zweiten Halbjahr will der gebürtige New Yorker „das Momentum noch mehr nutzen“ und True Religion als „die führende Weltmarke ausbauen“.
Aus diesem Grund investiert der Denim-Manager weiter in die Infrastruktur und neue Geschäfte. Bis Jahresende will er neun weitere Läden aus dem Boden stampfen. Dann sind es insgesamt 69 Geschäfte, allerdings nur in den USA. Doch die Expansionspläne laufen auf Hochtouren: „Es sind Stores weltweit in Planung, auch in Deutschland und England. True Religion ist ein Premium-Brand, daher suchen wir uns gewissenhaft den Markt und die Stadt aus, wo ein Store entstehen soll“, heißt es aus der kalifornischen Zentrale. Schon heute ist Deutschland für die Amerikaner der zweitwichtigste Markt hinter den Vereinigten Staaten und noch vor England, Mexiko, Japan und dem Mittleren Osten.
„Unsere Kollektionen sollen die Menschen umwerfen“, ist das Firmenmotto. Das schafft Lubell vor allem bei einer Spezies Mensch: den Analysten. „Der Ausbau des eigenen Retail-Geschäfts ist absolut sinnvoll, weil die eigenen Läden gegenüber dem herkömmlichen Verkauf in den Warenhäusern eine deutlich höhere Marge abwerfen“, sagt Eric Beder vom Research-Haus Brean Murray Carret.Beder erwartet neben Deutschland und England auch in Kürze erste Geschäfte in China, Korea, Hongkong und Macau. „Die Investoren werden an der Expansionsstrategie großen Gefallen finden, weil sie viel lieber in einen hochprofitablen Modehandelskonzern als in einen margenschwachen Krämer investieren“, so Beder. Der Analyst empfiehlt die Aktie zum Kauf. Sein neues Kursziel: 35 Dollar, umgerechnet 25 Euro. Das bedeutet ein Kurspotenzial von 54 Prozent gegenüber der aktuellen Notierung.
„Mehr Argumente kann ich nicht liefern!“ Risiken gäbe es fast gar keine. „True Religion bezahlt die Expansion aus dem Barmittelzufluss, hat keine langfristigen Schulden, eine Umsatzrendite von über 16 Prozent und ist an der Börse mit einem KGV von 12,2 auch noch günstig bewertet. Mehr Argumente für einen Aktienkauf kann ich nun wirklich nicht mehr liefern!“, schreibt Beder in seiner jüngsten Studie. Seine Meinung teilen die Kollegen. Im Schnitt rechnen die Experten, die das Unternehmen bewerten, bis 2014 mit einem durchschnittlichen Umsatzwachstum von 30 Prozent. Jahr für Jahr. Konzernchef Rubell ist hingegen etwas konservativer: „Wir werden unseren Aktionären eine jährliche Umsatz- und Gewinnsteigerungsrate zwischen zwölf und 18 Prozent präsentieren“, schreibt er im Geschäftsbericht 2008.
Warum ist True Religion aber so erfolgreich? Eine Antwort darauf hat Katrin Magnussen. „Der Erfolg ist nur mit zwei Strategien möglich: entweder mit hochpreisigen Designerstücken oder mit Discounter-Jeans“, sagt die Modeexpertin des Marktforschungsinstituts Mintel. Das Designer-Pärchen Jeffrey & Kym scheint den Schlüssel zum Erfolg gefunden zu haben „Unsere Kollektionen sind zeitlos, hip, unkonventionell und schick“, so das Motto der Lubells, die den Firmennamen nach einem ihrer Lieblingssongs („Finding your true religion“) der Band Hot Tuna benannt haben.
„Jeans, Musik, Kalifornien – das ist unsere wahre Religion“, so Jeff Lubell. Dass das allerdings immer noch kein Grund für Erfolg sein muss, belegen die Zahlen von 7 for all mankind. Die Umsätze der Luxus-Jeansmarke, die jahrelang die weltweiten Trends setzte, brachen im zweiten Quartal um zwölf Prozent ein. Tendenz: weiter sinkend! „Mode ist eben ein Kann-Konsum, kein Muss-Konsum. Wenn es bei den Verbrauchern finanziell eng wird, sparen sie hier als Erstes“, erklärt Christoph Schwarzl von der Unternehmensberatung Accenture.
Lubell kontert: „True Religion ist für alle, die Wert auf Mode und atemberaubenden Stil legen, ein Must-Have.“ Schließlich gäbe es keine andere Modefirma auf der Welt, die eine Jeans im klassischen Rockerstil mit verschiedenen Elementen aus HipHop und R´n´B verbinde und dennoch edel und luxuriös wirke. „Jedes einzelne Kleidungsstück ist eine wahre Sünde wert“, so Lubell.
Überteuerte Produkte, hohe Rendite. Der Guru unter den Denim-Designern scheint Recht zu bekommen. Für das laufende Geschäftsjahr peilt er mit der Sortimentserweiterung um Shirts, Schuhe & Accessoires einen Rekordumsatz von bis zu 210 Millionen Euro (Vorjahr: 190 Millionen) an. Der Gewinn je Aktie soll auf bis zu 1,29 Euro steigen. Ebenfalls ein Rekordwert. Und ein Ende ist nicht in Sicht, auch wenn die Kunden weiter tief in die Tasche greifen müssen, um sich die Klamotten von True Religionleisten zu können. „Auf dem Image des erfolgreichen Marken-Kern-Produkts Jeans baut True Religion eine ganze Reihe von – hochkalkulierten, überteuerten – Lizenzprodukten auf, die für die überdurchschnittliche Rentabilität des Unternehmens sorgen“, so Peter Littmann. Der Mann muss es wissen: Littmann war jahrelang Konzernchef von Hugo Boss.
Überteuert war mein Jeanskauf dann letztendlich auch – wegen meiner Frau. „Wenn du dir eine Jeans von True Religionleisten kannst, kann ich das auch!“, sagte sie und bestellte. Zehn Tage später kam das Paket an. Der Inhalt: zwei Jeans! „In München hätten sie 800 Euro gekostet“, rechnete sie mir vor. Im Internet nur die Hälfte. „So haben wir 400 Euro gespart“, sagte sie. Na warte, jetzt bestelle ich auch noch eine ...
Aufstieg eines Modekonzerns – Warum ist True Religion so erfolgreich?
Peter Littmann hat darauf vier Antworten. Erstens: Medienpräsenz. „Wenn eine Modemarke, und das gilt insbesondere für eine Jeansmarke, angesagt ist, kann sie sehr stark werden“, sagt Littmann, Chef der Unternehmensberatung Brandinsider. Der Mann muss es wissen: Littmann war jahrelang Konzernchef von Deutschlands größtem Modekonzern Hugo Boss . Angesagt ist True Religion, und zwar in fast jeder Modezeitschrift rund um den Globus. Allein in den vergangenen Tagen und Wochen präsentierte die chinesische „L´Officiel“ die neuesten True-Religion-Modelle, „GQ India“ die neuesten Dreiviertel-Hosen, „Marie Claire“ die neuesten Jeansjacken, „US Weekly“ die neuesten Kinderhosen, „Womens Wear Daily“ die neueste Badekollektion und das russische „Harper´s Bazaar“-Magazin die neuesten Röhrenjeans. „True Religion trifft mit seinen stylischen Fashion-Items genau den Nerv seiner Kunden“, erklärt Kerstin Lehmann, Partnerin der renommierten Strategieberatung OC&C Strategy Consultants.
Neben der flächendeckenden Berichterstattung in den Modeblättchen kommen laut Littmann die VIPs (Very Important Persons) als zweiter Punkt hinzu. „Viele Wege führen nach Rom“, erklärt Littmann. „Der Prominenten-Weg funktioniert in der Mode aber immer noch ganz gut.“ Die Antwort der Pressestelle, welche Stars und Sternchen True-Religion-Klamotten tragen, ist eindeutig – und lang: „Sienna Miller, Denise Richards, Cameron Diaz, Will Smith, Gwen Stefani, Sharon Stone, Jennifer Lopez, Justin Timberlake, Brad Pitt, Kate Hudson, Jennifer Garner , Bruce Willis, Faith Hill, Sheryl Crow, Jessica Simpson, George Clooney, David Beckham, Black Eyed Peas, Mandy Moore, Sting oder Robbie Williams zählen zu den Fans der Jeansmarke.“
Warum gibt Otto Normalverbraucher trotzdem 400 Euro für eine Jeans aus? „Das Geheimnis des Erfolgs ist die perfekte sexy Passform, die bei einer Jeans alles entscheidet“, so Littmann zu Punkt drei. Und OC&C-Beraterin Lehmann ergänzt. „Eine Frau will bei einer Jeans nur zwei Dinge: Erstens muss die Jeans gut aussehen. Zweitens muss der Hintern in der Jeans gut aussehen.“ Darüber hinaus sehe die Frau in einer True-Religion-Jeans aus, als wiege sie fünf Kilo weniger. Das gab es bisher so nicht, so Lehmann. Oder wie es Konzernchef Lubell sagt: „Unsere Jeans schmeicheln jeder Figur!“
„Unsere Mission war und ist es daher, eine Jeans zu entwerfen, die nicht nur perfekt sitzt, sondern die Menschen mit den originellen Waschungen und auffälligen Nähten umwirft.“ Das macht das Stück Stoff auch, spätestens beim Blick auf das Preisschild: In Deutschland kostet die günstigste Jeans im KaDeWe (Kaufhaus des Westens) in Berlin oder bei Theresa in München 249 Euro.
Das weiß auch Lubell: „Unsere Jeans sind zwar nicht ganz günstig, wer aber einmal eine besessen hat, der weiß, dass die Kombination aus Haltbarkeit und Bequemheit unerreicht ist.“ Diesen Vorteil nutzt das Unternehmen mit den hohen Preisen geschickt aus. „Kult hat keinen Preis, ein Kultprodukt ist aus der Vergleichbarkeit raus“, erklärt Littmann den vierten Punkt. Aus diesem Grund hätte der Konzern noch erhebliche Wachstumsmöglichkeiten. „Der Markt ist gesättigt, aber nicht für Kult“, so Littmann.