Marketing-Mann des Jahrzehnts

Von Peter Littmann

Ärzte müssen sich opfern für ihre Patienten, Lehrer für ihre Schüler, und Künstlern darf nichts wichtiger sein als die Kunst - selbst wenn sie dabei verhungern.


Stehen diese Forderungen mal so apodiktisch auf dem Papier, wird schnell klar, was für ein Unsinn sie sind. Vertreter dieser Berufe mögen einem gewissen idealistischen Trieb folgen, doch letzten Endes betreiben auch sie nur ein Geschäft. Es geht ihnen genauso um Macht, Status und Geld - vor allem um Geld - wie allen anderen Leuten.

Unser altes Hirn bejaht das, unser junges Herz will jedoch was anderes. Die Ansprüche sind schließlich geprägt von Albert Schweizer und Mahatma Gandhi. Von Geld ist da nicht die Rede, darf es auch nicht sein, denn das "Wahre, Schöne, Gute" ist per Definition die Gegenthese zum Mammon. Und dann kam Damien Hirst.

Der britische Künstler verzierte einen menschlichen Schädel mit 8 601 Diamanten, nannte ihn "For the Love of God" und verscherbelte ihn meistbietend. Zuvor zersäbelte er Haie und Kühe, erklärte 9/11 zum Kunstwerk und ließ Maden ein Aas vertilgen - schön sauber im Terrarium. Hirst spielte schon als Kunststudent virtuos mit dem Rampenlicht und dem Ziel, wie ein Rockstar oder ein Modedesigner zur Marke aufzusteigen. Reich zu werden nahm er dabei billigend in Kauf, und heute ist er mit Jeff Koons einer der teuersten lebenden Künstler. Auf seinem Weg verschliss er mit dem Werber-Guru Charles Saatchi einen erstklassigen Marketingberater. Heute braucht er den nicht mehr, inzwischen kann er das selber besser.

Doch jetzt ist die halbe Welt böse mit ihm. Brave Bürger sowieso, die finden seine Sachen entweder albern oder geschmacklos. Viele Kunstkritiker hingegen bewerten ihn als zu dekorativ oder finden seine Protzigkeit vulgär. Journalisten erklären Hirst zum "Unternehmer", als wäre das eine Beleidigung. Generell gilt es als verdächtig, wenn sein Studio bis zu 100 Handwerker beschäftigt, die quasi fabrikartig Hirst-Gemälde produzieren. Andere Künstler wie Robert Dixon oder John LeKay behaupten, Hirst würde ihre Ideen klauen.

Damien Hirst ist der Erste, der darüber lacht und seine Versuche öffentlich als "Shit" bezeichnet. Künstler von Rubens bis Rodin haben immer schon Schüler und Assistenten beschäftigt, da die "Kunst" vor allem in der Konzeption liegt und weniger in der Ausführung. Und dass Hirst ihn kopiere, kann im Grunde jeder Metzger von sich behaupten, der schon mal ein Kalb zersäbelt hat.

Unbestritten ist: Damien Hirst hat wie kaum ein anderer die Kunst aus dem elitären Zirkel eingeweihter Intellektueller ins Rampenlicht gezerrt. Gleichzeitig hat er die Rolle des Künstlers neu definiert: nicht mehr missverstandener Außenseiter, sondern extrem gut bezahlter Treiber gesellschaftlicher Entwicklungen. Dazu agierte Hirst als Marketingmanager und machte sich selbst plus eine Gruppe Gleichgesinnter unter dem markenfähigen Kürzel YBA - Young British Art - zu Stars im internationalen Kunstmarkt-Zirkus. Im Grunde tut er nichts anderes, als die Konsumwelt, die an alles und jedes ein Preisschild klebt, mit ihren eigenen Mitteln zu attackieren und sie dadurch zu spiegeln. Ist diese Spiegelung nicht einer der wichtigsten Aufträge an zeitgenössische Kunst? Neben dem natürlich, verstopfte Bürger zu ärgern.

Übrigens tut er das auch noch unterhaltsam: In "For the Love of God" investierte er 13 Mill. Pfund und verkaufte den Schädel umgehend für 50 Mill. Pfund. Das ist Kapitalismus in seiner schönsten Form, die gleichzeitig seinen Kunden vor Augen führt, was sie sich mit all ihren Reichtümern nicht kaufen können: Unsterblichkeit. Wären nur mehr Imagekampagnen so gut geplant, so erfolgreich, witzig und tiefgründig gleichzeitig!

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