Auto-Kathedralen für Markenbotschafter

Von Peter Littmann

Großbanken hat irgendwie keiner so recht lieb. Im Gegenteil, viele Leute sehen die Palazzi in Frankfurt oder Düsseldorf, denken an die Zinsen für ihr eigenes bescheidenes Häuschen und grummeln wütend vor sich hin: "Das habt ihr alles mit unserem Geld gebaut!"



Die gleiche in Stein gehauene Großmachts-Demonstration, die den Banken übel genommen wird, erfreut den Menschen jedoch, wenn sein bevorzugter Autohersteller ihr frönt. Seit 2000 konkurriert die deutsche Autoindustrie nicht nur darum, wer das tollste Autos baut, sonder auch, wer den dicksten Tempel in die Landschaft stellt.

Volkswagen machte mit der Autostadt den Anfang und investierte 430 Mill. Euro für zwei Mill. Besucher im Jahr. Es folgte die Mercedes-Benz-Welt mit 150 Mill. Euro für 800 000 Besucher per anno. Während Porsche immer noch an der Karosserie des architektonischen Raumschiffs herumdengelt, das die Marke irgendwann in die Mitte der Aufmerksamkeit fliegen soll, feiert BMW seine neue Kathedrale. 800 000 Besucher im Jahr sollen sich künftig an Auto "Made in Munich" delektieren, 45 000 davon beim Abholen des Neuwagens. Eine halbe Mrd. Euro hat das Unternehmen für die BMW World ausgegeben. Das sei gut investiertes Kapital, ist aus dem Vorstand zu hören.

Tatsächlich? Die große Geste für den Endverbraucher kontrastiert nämlich auf den ersten Blick merkwürdig mit der Situation auf dem Markt. Der Anteil der Privatkunden unter den Autokäufern sinkt, Leasinggesellschaften, Mietwagenfirmen und Unternehmensflotten haben heute die Nase vorn.

Profi-Einkäufern aber ist Kunst am Bau wurscht. In der Situation beschloss Freizeitparkbetreiber Volkswagen 2003 einerseits, keine weiteren 100 Mill. Euro in die Wolfsburger Erlebniswelt zu stecken - und veröffentlichte zwei Jahre darauf andererseits eine Marktforschung, der zufolge das Unternehmen mehr als 10 000 Kaufentscheidungen seiner Autostadt verdankt. Bis zu 160 000 Autos im Jahr werden dort an ihre Käufer übergeben.

Also was denn nun? Sind die Autostädte rausgeschmissenes Geld oder kluge Marketinginvestitionen? Ach, wenn die Welt in Wolfsburg, Zuffenhausen oder München so einfach wäre und diese Frage in einem Satz zu beantworten!

Fakt ist, dass sich Autos immer ähnlicher werden, dass Wagen made in Germany heute auf der ganzen Welt hergestellt werden und die Asiaten mit Lexus & Co nun auch beachtliche Luxus-Schüsseln bauen. Bei Großereignissen im eigenen Land wie der Fußball-WM ist plötzlich Hyundai Großsponsor und damit weltweit deutlich sichtbarer als alle Vierräder made in Germany zusammen.

In dieser Situation ist "Tradition" das letzte Pfund, mit denen Deutschlands Autobauer noch wuchern können. Daher also die Motoren-Museen, deren Ausstellungsflächen die des berühmten Guggenheim in New York mal eben um das Dreifache übertreffen. Außerdem machen BMW und Mercedes zwar einen großen Teil ihres Geschäfts mit gewerblichen Kunden, aber dazu zählen ja auch all die Freiberufler. Und auch Ärzte, Steuerberater und Anwälte wollen zum PS verführt werden.

Hier geht es nicht nur um eine Investitionsrendite im Sinne von "220 Euro pro Besucher der Autostadt investiert, damit 0,5 Prozent von ihnen dann tatsächlich die Marke kaufen". Insbesondere deutsche Autos bestellt der Mensch nicht nur, um schneller von Kleckersdorf nach Posemuckel zu kommen, sondern aus emotionalen Gründen.

Porsche beispielsweise berichtet von Fans, die bei der Produktion ihres geliebten Flitzers am liebsten die ganze Zeit neben dem Band herlaufen würden. Solche Enthusiasten sind gern gesehene und gut gepflegte Markenbotschafter, ebenso die Oldie-Fans. Ähnlich wie Volvo oder Jaguar leisten sich auch deutsche Hersteller Classic Center in Europa und USA, die Sammlern helfen, Ersatzteile für betagte Schätzchen zu finden.

Es geht also ums Gefühl, und das ist entgegen gegenteiliger Annahmen nicht umsonst zu haben. Die Hersteller investieren eine Menge, um es zu erzeugen, und die Käufer bluten, um es zu erleben - bei BMW 460 Euro, um einen Wagen vor Ort in München feierlich in Empfang zu nehmen.

Eigentlich erstaunlich, dass nicht längst die eine oder andere Großbank überlegt, was sie mit ihren überdimensionierten Marmorbuden Kundennahes anfangen könnte. Etwas, das bessere Gefühle auslöst als die Demonstration der eigenen Wichtigkeit.

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