Wisch und weg!
Unter Product-Placement stellen sich alte Leute vor, dass die Helden in Kino- und Fernsehfilmen mit Markenware ausgestattet werden, damit das Publikum sieht, dass ein Z3 von BMW das Leben von 007 retten kann – oder ein Pulmoll- Lutschbonbon die Stimme von Horst Schimanski. Das waren die guten alten Zeiten.
Heute findet so genanntes embedded advertising in Video-Clips, Popsongs und Rappertexten statt. Denn um Erwachsene geht es den meisten Werbern nicht, es geht um die so viel leichter zu beeinflussenden Kids, die Jahr für Jahr mehr Geld in der Tasche haben. Teenagersehnsüchte spiegeln sich nun mal nicht mehr in "James Bond" oder "Tatort" wider, sondern in den Charts von MTV, Viva und Konsorten.
Limousinen, Champagner, Juwelen, nirgends werden Luxusphantasien so genussvoll ausgelebt wie in Musikvideos – und alle träumen mit vom großen Geld. Dolce & Gabbana, Gucci, Prada, Cadillac, Mercedes, Hennessy, all diese Labels und viele andere mehr sind via Songtext in den Hitparaden häufig ganz vorn mit dabei. Das klingt dann ungefähr so: "I drive a Mini Cooper and I’m feeling super-duper", oder: "Relaxing in the Benz, credit cards are no limit, so you don’t worry, when you spends".
Besonders Hiphop – eine einst in der South Bronx geborene Stilrichtung, mit der arme Künstler ihr noch ärmeres Publikum mit Phantasien von Geld und Luxus amüsierten – ist heute eine einzige Lobeshymne auf teure Markenware. Ihre Botschaft ist simpel: "Konsumieren! Konsumieren! Konsumieren! Einzig Status ist das Lebensziel." Der Industrie ist das offenbar nur recht. Nachdem sich eine Gruppe namens Busta Rhymes mit dem Song "Pass the Courvoisier" 20 Wochen lang in den Charts hielt, stieg der Absatz des besungenen Cognacs weltweit um 20 Prozent.
Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Die "Business Week" schätzte schon vor einiger Zeit, dass ein Viertel der Konsumentscheidungen in den USA mit Hiphop in Verbindung stehen. Diese Zahl leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass inzwischen auch Limonaden- oder Milchfirmen in ihren Werbespots Rapper auftreten lassen.
Diese Verflechtung von Popkultur und Marketing führte dazu, dass die ehemaligen Ghetto-Kids reich geworden sind und ihre Jugendphantasien vom Wohlleben heute ungeniert mit Hilfe von untertassengroßem Schmuck, Chinchillamänteln und mit Gold verkleideten Stoßstangen ausleben.
Den dazu nötigen Geldsegen haben sie nicht ihrer Musik zu verdanken – oder zumindest nicht nur. Rapper Jay-Z setzt mit dem Bekleidungslabel Rocawear 250 Millionen Dollar im Jahr um. P. Diddy (einst bekannt als Puff Daddy) herrscht mittlerweile über ein Imperium mit 300 Millionen Dollar Umsatz im Jahr. Seine Bekleidungslinie und seine Restaurantkette sorgen inzwischen für beinahe mehr Bewegung in der Kasse als seine Sangeskunst. Ach ja – und überdies berät er noch rund 500 Firmen weltweit, darunter Nike oder Pepsi. Eine der Aufgaben seiner Marketingfirma besteht darin, sämtliche Songs der Szene auf Markennamen hin durchzuhören und Kontakt zu den Lieblingsmarken der Rapper herzustellen. Früher mal wurden die drei Streifen von Adidas hip, weil ein Hopper über sie sang, heute investiert ein Sänger wie Jay-Z in eine Wodkamarke, weil er weiß, dass sie bald in Rap-Texten auftauchen wird. Zur Not in seinen eigenen.
Bleibt die Frage, ob es von den Markenfirmen so schlau ist, in diese Szene einzusteigen? Vordergründig mögen die Hiphop-Helden ja den Konsum predigen, aber ob eine Vulgärästhetik à la "I put my ass in an 300 C and some Dom Perignon on your pussy" wirklich zu Luxusautos und Champagner passt? Was ist ein Bentley als Statussymbol noch wert, wenn vorbestrafte Mittzwanziger damit ihre Kumpels von der Bushaltestelle abholen?
Schon jetzt machen US-Komiker Witze, dass die teuersten Chronographen von Leuten getragen werden, die die Uhr nicht lesen können. Der Maybach ist tatsächlich häufiger in Poplyrik zu hören, als auf der Straße zu sehen.
Hinzu kommt, dass die Rapper Marken aufspießen und wieder fallen lassen, wie sie teure Turnschuhe aus Prinzip nur einmal benutzen. Was wie Werbung aussieht, könnte für die besungenen Marken am Ende mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften. Die traditionelle Kundschaft dieser Labels jedenfalls würde eilig die Straßenseite wechseln, wenn ihnen Ice T oder Usher plus Entourage entgegenkäme.
Es darf daher getrost bezweifelt werden, dass Louis Vuitton oder Prada langfristig davon profitieren, wenn ihre Produkte weltweit von Hunderttausenden von Teenagern als Pop-Accessoires angebetet werden. Im Gegenteil: Was da stattfindet, ist quasi die Rache einer verfemten Minderheit am Establishment: Eine künstlerische Avantgarde eignet sich die begehrtesten Güter der bürgerlichen Gesellschaft an und benutzt sie wie Küchenkrepp: Wisch und weg! Die Kinder der Bürger klatschen dazu und übrig bleibt ein Berg Müll.