Schnatternde Manager auf Twitter

Top Technics: Promotion

Die Entscheidung, diese Kolumne Twitter zu widmen, ist leicht zu kritisieren, denn Werbung findet da bislang de facto nicht statt: Kein Marketing, also auch keine Marketing-Kolumne! In der Tat, die Suche nach Markennamen wie „Lufthansa“ führt bei Twitter zu einer leeren Seite mit nur 104 „Followern“ (Abonnenten) – kaum vorstellbar, dass da wirklich der Kranich dahinter steckt. 

Unter dem Stichwort „L'Oréal“ tauchen nur die Tweets von diversen Ladys auf, die mit den meisten Anhängern hat bescheidene 167 Follower. Big Spender wie Procter & Gamble oder Nestlé glänzen durch Abwesenheit. Die Kollegen von der „WirtschaftsWoche“ haben nun ein paar aktive Einsteiger aufgetrieben: Starbucks twittert für 100.000 Anhänger, Computerhersteller Dell informiert 225.000 potenzielle Kunden über neue Angebote. Unter amazonmp3 zwitschert der Online-Buchhändler derzeit für 105.000 Kunden. Doll ist das nicht – Twitter verzeichnet im Moment sechs Millionen Nutzer, im Vergleich dazu hat der vor fünf Jahren gegründete Facebook 175 Millionen Aktive.
Wieso nun trotzdem eine Kolumne? Weil die angesagte Privat-Nachrichtenagentur nun möglicherweise doch ein Geschäftsmodell fand: Die Plattform Exec Tweets, eine Art Business-Twitter für schnatterwillige Führungskräfte. Nutzer können einzelne Tweets bewerten, direkt beantworten oder andere leitende Angestellte zum Mitmachen anregen. Federated Media, ein Blog-Vermarkter, hat das neue Tool entwickelt, Software-Riese Microsoft übernimmt das Sponsoring. Vielleicht regt das ja Markenhersteller dazu an, eigene Twitter-Plattformen zu bauen? Eventuell bezahlen die dann auch noch dafür?
Das könnte der Fall sein, wenn aus den zahlreichen, in der Regel ziemlich belanglosen Tweets interessante Inhalte für spezielle Zielgruppe werden. Der Blick auf das noch ziemlich junge ExecTweets scheint jedoch das Gegenteil zu beweisen: 140 Zeichen sind einfach zu wenig, um in Sachen Business mehr zu formulieren als Plattitüden. Ein Greg Lane meint da beispielsweise: „Be ethical… Always work on relationships.“ Im Idealfall kann auf ExecTweets ein Hinweis auf ein anders Medium mit mehr Platz erfolgen. Eine Gini Dietrich schreibt: „How a positive attitude can boost your business” und verweist für die Begründung auf ihren Blog. Der bekannteste Unternehmer, der tatsächlich twittert, ist Virgin-Gründer Richard Branson – er gibt die Schwalbe, die noch keinen Sommer macht. Ansonsten tummeln sich da wohl vor allem Freiberufler auf der Suche nach Klienten. Google-Chef Eric Schmidt zeigt sich jedenfalls unbeeindruckt: „Twitter ist die E-Mail des armen Mannes“.
So manch ein Werbeleiter mag anders denken, 140 Zeichen sind die perfekte Vorgabe für geübte Copy writer. Also warum nicht Werbetexte twittern? Oder Preisausschreiben veranstalten und junge Leute auffordern, den kreativsten Slogan zu einem vorgegebenen Produkt zu erzwitschern? Beim Publikum funktionieren allerdings nur Tweets, die tatsächlich in Diskurs treten mit ihrer Community. Bislang ist davon jedoch noch wenig zu sehen und daher fragt sich, warum „Time Magazine“ jubelt: „Twitter ist dabei, die nächster Killer Applikation zu werden“, sekundiert von „Newsweek“ mit „plötzlich scheint die ganze Welt nur noch aus Twitterern zu bestehen“?
Vielleicht, weil derzeit viele vermuten, dass Twitter die Medienwelt revolutionieren könnte, schließlich stand unlängst die Bruchlandung eines Flugzeugs im Hudson River 15 Minuten eher auf Twitter als auf der Webpage der „New York Times“. Die Geiselnahme in Mumbai konnten Twitterer ebenfalls „von innen“ mitverfolgen.
Schon wahr, die Google-Gründer hat 1998 auch keiner gefragt, ob sie Geld verdienen. Aber wo steht eigentlich, dass Twitter für Kommunikation das wird, was Google für Suchmaschinen ist? Und selbst wenn dies eintreten sollte: Die Medien stehen massiv unter Druck, weil im Internet kaum einer für Inhalte bezahlen will. Verschwindet dieses Problem, weil jetzt noch eine Plattform dazu kommt? Wohl kaum. Vielleicht wird Twitter ja auch nur ein zweites Second Life. Erinnert sich noch einer an die 3D-Zweitwelt, die vor geraumer Zeit massiv durch die Presse geisterte? Richtig, da war doch mal was. Ist mittlerweile völlig an uns vorbei gezwitschert.

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